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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 19.01.2004
Aktenzeichen: 2 L 300/03
Rechtsgebiete: LSA-GO, LSA-KrsGebRefG, DDR-KommVfG
Vorschriften:
LSA-GO § 12 I 1 | |
LSA-GO § 12 II 2 | |
LSA-GO § 13 II 1 | |
LSA-GO § 13 II 2 | |
LSA-KrsGebRefG § 33 | |
LSA-KrsGebRefG § 3 | |
DDR-KommVfG |
2.Ein Zusatz darf als "überkommene Bezeichnung" nach § 13 Abs. 2 Satz 1 GO LSA nur weiter geführt werden, wenn er "herkömmlich" war. Dabei bleibt offen, ob für die Frage des "Herkommens" auf den Zustand des Jahres 1945 abgestellt werden darf.
3.Bei der Ermessensentscheidung nach §§ 12 Abs. 2 Satz 2; 13 Abs. 2 Satz 2 GO LSA darf die Genehmigungsbehörde die Auswirkungen der Namensänderung, insbesondere den Kostenfaktor, berücksichtigen und mit Rücksicht auf diesen Gesichtspunkt "restriktiv" genehmigen.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS
Aktenz.: 2 L 300/03
Datum: 19.01.2004
Gründe:
Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), <Streitwert>.
1. Die Berufung ist nicht wegen "ernstlicher Zweifel" i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen; denn diese sind auch mit Blick auf die im Antragsverfahren neu vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich.
Dabei geht der Senat mit der Klägerin davon aus, dass die damalige Antragstellung beim Beklagten als Begehren angesehen werden muss, den Zusatz "Anhalt" unter jeder denkbaren rechtlichen Ableitung führen zu dürfen. Mit Recht hat deshalb der Beklagte seine Prüfung auch auf die Frage erstreckt, ob der Zusatz als "sonstige überkommene Bezeichnung" i. S. des § 13 Abs. 2 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt - GO LSA - vom 05.10.1993 (LSA-GVBl., S. 568), inzwischen zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.07.2003 (LSA-GVBl., S. 158 [158 <Art. 2>]), angesehen werden kann.
Die Klägerin kann die Führung des Zusatzes "Anhalt" aber weder ohne Genehmigung beanspruchen (1.1.), noch ist die Ermessensentscheidung des Beklagten im Genehmigungsverfahren zu beanstanden (1.2.).
1.1. Eine Genehmigung ist nicht entbehrlich; denn die Klägerin kann sich weder auf § 12 Abs. 1 Satz 1 GO LSA (1.1.1.) noch auf § 13 Abs. 2 Satz 1 GO LSA (1.1.2.) stützen.
1.1.1. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 GO LSA sind nicht erfüllt; denn die Vorschrift soll lediglich den "Besitzstand" wahren und stellt mit dem Begriff "bisher" auf den Zustand ab, den das Gesetz bei seinem In-Kraft-Treten (1994) vorgefunden hat. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Klägerin als "Stadt Sandersleben" ohne den Zusatz "Anhalt"" bezeichnet.
Dagegen kann sie nicht ins Feld führen, dass sie selbst in ihrem Satzungsrecht und auf ihren amtlichen Briefbögen den Zusatz "Anhalt" geführt hat; denn diese praktische Handhabung war rechtswidrig, weil die entsprechende Passage der Hauptsatzung - die im Übrigen erst nach In-Kraft-Treten der neuen Gemeindeordnung entstanden ist - keine Genehmigung gefunden hatte. Unerheblich ist ferner, dass der Landesgesetzgeber in seinem Namensverzeichnis in Nr. 20 der Anlage zu § 33 Satz 3 des Gesetzes zur Kreisgebietsreform vom 13.07.1993 (LSA-GVBl., S. 352 [386]) die Klägerin mit "Stadt Sandersleben (Anhalt)" bezeichnet hat; denn der Regelungsgehalt dieser Bestimmung ist nicht, den Gemeindenamen festzulegen, sondern betrifft die Übergangsgeschäftsführung der Landräte von aufgelösten Kreisen, für deren Zuständigkeit auf Einwohnerzahlen in den Gemeinden abgestellt wurde, die das Gesetz in dieser Anlage verbindlich festlegt.
Ein Rückgriff auf die tatsächlichen Verhältnisse in der Zeit vor Ende des Zweiten Weltkriegs scheidet schon deshalb aus, weil die Gemeindeordnung 1994 an einen Zustand nach dem Ende der Deutschen Demokratischen Republik anknüpft, der seine Rechtsgrundlage bereits in dem von der demokratisch gewählten Volkskammer beschlossenen "Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der Deutschen Demokratischen Republik - Kommunalverfassung -" vom 17. Mai 1990 (DDR-GBl. Teil I Nr. 28 S. 255), als Landesrecht für Sachsen-Anhalt übergeleitet durch Art. 9 Abs. 1 des Einigungsvertrags (BGBl 1990 II 885, DDR-GBl. Teil I Nr. 64 S. 1627), hier zuletzt geändert durch Gesetz vom 3.2.1994 (LSA-GVBl, S. 164 [166]), gefunden hatte.
1.1.2. Der begehrte Zusatz ist auch keine "sonstige überkommene Bezeichnung" i. S. des § 13 Abs. 2 Satz 1 GO LSA, welche die Klägerin ohne Genehmigung weiter führen dürfte. Der Begriff des "Weiter-Führens" legt nahe, dass - ähnlich wie bei § 12 Abs. 1 Satz 1 GO LSA - die Bezeichnung bei In-Kraft-Treten der Gemeindeordnung bereits geführt worden ist. Das ist erkennbar nicht der Fall.
Aber selbst wenn mangels entsprechender Traditionspflege in der Deutschen Demokratischen Republik auch darauf abgestellt werden dürfte, ob die Bezeichnung vor 1945 "herkömmlich" war (so Klang/Gundlach, Gemeindeordnung und Landkreisordnung für das Land Sachsen-Anhalt, 2. Aufl., GO § 13 RdNr. 2 [S. 42]), hätte die Klägerin den notwendigen Nachweis nicht geführt:
Als Indizien scheiden alle Dokumente aus, welche auf ein "Anhaltisches Standesamt Sandersleben" verweisen; denn sie kennzeichnen die Behörde als anhaltische Landesbehörde, belegen aber nicht den Namenszusatz der Stadt. Nicht einschlägig sind die Briefköpfe von Firmen aus Sandersleben oder Anschriften-Angaben, welche Zusätze "i. Anh." oder "(Anhalt)" tragen; denn insoweit handelt es sich nicht um amtliche Dokumente. Gleiches gilt für Schreiben Privater oder von Vereinen an Verwaltungen in Sandersleben. Auch die Standesamts-Siegel aus den Jahren 1942 bis 1944 ("Der Standesbeamte in Sandersleben [Anhalt]") geben ebenso wenig wie die Kopfbögen des Bürgermeisters 1942/1946 oder die Eingangsstempel des Magistrats 1933 bzw. der "Polizei-Verwaltung Sandersleben (Anhalt)" von 1931/1935 verlässliche Auskunft über den Zusatz "(Anhalt)" als amtlichen Namensbestandteil, zumal in vielen dieser Dokumente als Ortsbezeichnung gleichwertig der Ortsname ohne die Zusatzbezeichnung verwendet wird. Abgesehen davon stehen der Annahme, es handele sich um eine "herkömmliche" Bezeichnung die Untersuchungen des Statistischen Landesamts vom 18.01.2000 (vgl. dort Anlage 1) entgegen, wonach die Klägerin in amtlichen Gemeindeverzeichnissen und ähnlichen Unterlagen auch in der Zeit vor 1945 nur mit "Sandersleben, Stadt" bezeichnet worden ist.
Dagegen kann sich die Klägerin schließlich nicht auf die Handhabung der Bahn- und Postbehörden stützen, die nach ihren Bedürfnissen handeln und nicht notwendig die amtliche Namensgebung verwenden.
Schließlich sind die Auszüge aus den "Ortsbüchern" keine geeigneten Indizien für die Annahme der Klägerin. Abgesehen davon, dass es sich nicht um amtliche Festlegungen handelt, ist auch bei anderen Einträgen als bei Sandersleben zweifelhaft, ob es sich um offizielle Zusätze gehandelt hat. Das gilt z. B. für Kreiszugehörigkeiten in Stollbergs Orts-Lexikon für das Deutsche Reich (Berlin 1923) - vgl. die Beispiele auf der kopierten Seite 439 - in ähnlicher Weise wie für die Zusätze "über" im Zusammenhang mit größeren Orten bei Müllers Großem Deutschem Ortsbuch (Wuppertal 1951) - vgl. insoweit die Beispiele auf der kopierten Seite 761.
1.2. Die Ermessensausübung des Beklagten in Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 2 GO LSA ist nicht zu beanstanden; denn das Ministerium darf neben dem Anliegen der Gemeinde auch öffentliche Belange, wie vor allem die Auswirkungen der Änderung auf die Allgemeinheit und den Rechtsverkehr, berücksichtigen (Wiegand/Grimberg, Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt, GO § 12 RdNr. 3).
Da keine Verwechselungsgefahr mit anderen Gemeinden besteht, welche sinnvollerweise durch den Zusatz vermieden würde, ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Genehmigung vor allem wegen der durch die Namensänderung entstehenden Kosten verweigert hat. Dabei handelt es sich nach seinem - durch die Antragsschrift nicht in Frage gestellten - Vortrag um eine allgemeine Handhabung, wegen der Kostenfolgen nur "restriktiv" zu genehmigen.
Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte gegen den Gleichheitssatz verstoßen hätte; denn er hat - insoweit unwidersprochen - geltend machen können, dass der Fall der Stadt Jessen im Tatsächlichen Unterschiede zum Fall der Klägerin aufweist.
Die gleichen Grundsätze gelten für eine Behandlung nach § 13 Abs. 2 Satz 2 GO LSA.
2. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen; denn die Fallgestaltung unterscheidet sich im Rechtlichen nicht von der üblichen Rechtsanwendung, weil die Rechtsgrundlagen klar ersichtlich sind und keiner schwierigen Klärung von Rechtsfragen bedürfen. Der Fall ist aber auch nicht tatsächlich schon deshalb schwierig, weil im Verfahren zahlreiche Unterlagen vorgelegt worden sind; denn deren Aufarbeitung verlangt keine über das Übliche hinaus reichende Sichtung und Bewertung.
3. Auch § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO rechtfertigt die Zulassung nicht; denn die aufgeworfene Frage, ob das Weiter-Führen-Dürfen einer "überkommenen Bezeichnung" in restriktiver Ermessensausübung untersagt werden kann, stellt sich in diesem Verfahren nicht, weil es keiner Genehmigung des Beklagten bedarf, wenn die Bezeichnung wirklich als "überkommen" eingestuft werden muss (§ 13 Abs. 2 Satz 1 GO LSA); bedarf es einer Genehmigung, dann ist zuvor auszuschließen, dass es sich um eine "überkommene Bezeichnung" handelt.
Ende der Entscheidung
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